Debatte Fleischindustrie – Zeit für den Umschwung?

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Durch die exponentiellen Corona Infektionszahlen am Beispielfall Tönnies sind die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie auf einmal in aller Munde. Die Aufmerksamkeit auf die Missstände in der Industrie wächst und Stimmen nach notwendigen Verbesserungen werden lauter. Im Fokus ist dabei häufig nicht zuerst das Tierwohl, sondern Arbeits- und Lohnbedingungen.

Welche Änderungen werden kommen?

Durch den öffentlichen Druck wurden aufgrund der aktuellen Fallzahlen einige Maßnahmen sofort verabschiedet.

  1. Arbeitgeber in der Fleischindustrie werden dazu verpflichtet die Behörden über Wohn- und Einsatzorte ausländischer Arbeitskräfte zu informieren. Somit sollen Wohnmissstände vermieden werden. Weitergehend ist eine verpflichtende, digitale Arbeitszeiterfassung im Gespräch.
  2. Werksverträge sind in der Fleischindustrie ab Januar 2021 verboten. Diese Regelung soll zum einen dafür sorgen, dass nur noch Angestellte des Betriebs die Erlaubnis zum Schlachten erhalten und zum anderen außerordentliche Lohnstaffelungen, die unter dem Mindestlohn liegen, unterbunden werden.
  3. Eine neue „Überwachungsoffensive“ wird angestrebt, die häufigere Kontrollen vorsieht, um die Einhaltung der Regeln zu gewährleisten.

Fleischsteuer oder Höhere Fleischpreise?

Weiterhin steht die Einführung einer Fleischsteuer oder die Erhöhung von Fleischpreisen zur Debatte. Die Grünen argumentieren, dass durch höhere Fleischpreise die Nachfrage sinkt. Gleichzeitig könnte der Arbeitsschutz in den Schlachthöfen verbessert werden. Gegner widerum zweifeln jedoch an, ob der zusätzliche Umsatz wirklich  bei den Betrieben ankommt. Denn die Produktionskette ist lang und die Peiszusammensetzung durch die Transportunternehmen, Erzeuger, Einzelhandel etc. komplex. Auch das Risiko, dass Gesellschaftsschichten mit hohem Einkommen ihren Konsum nicht ändern und andere Gesellschaftschichten damit benachteiligt werden würden, bleibt kritisch anzumerken.

Auch der positive Effekt auf das Klima wird häufig hinterfragt. Dass die Fleischproduktion grundsätzlich extrem klimaschädlich und maßgeblich mit verantwortlich für den Klimawandel ist, ist unumstritten. 1 Kilogramm Rind bedarf mindestens 6000 Liter Wasser in der Produktion! Allerdings stellen Agrarexperten in Frage inwieweit die Fleischproduktion durch eine nationale Anpassung der Fleischpreise/eine Fleischsteuer wirklich gesenkt werden würde. Es besteht die Gefahr, dass die gleichen Mengen Fleisch produziert und dann aber exportiert werden. Das überschüssige Fleisch würde also weiterhin mit einem negativen Klimaeffekt produziert und transportiert werden. Lösungen, um diese potenzielle Entwicklung zu vermeiden, wäre ein Maßnahmen Mix. Also z.B. eine Einführung einer Fleischsteuer und ggf. Exportlimitierungen. Besonders vielversprechend könnten Anreize direkt für die produzierenden Landwirte sein. Denkbar wären Abgaben bei übermäßiger CO2 Produktion oder finanzielle Unterstützung bei Umbaumaßnahmen, die das Tierwohl fördern.

Finales Ziel muss es sein, die Massentierhaltung zu minimieren!

Konsumverhalten nachaltig beeinflussen – Aufgabe der Politik oder der Gesellschaft?

In der Fleischindustrie, spezifisch der Massentierhaltung steht man dem Problem eines jeden Wandels gegenüber: Wer macht den ersten Schritt? Müssen die Konsumenten ihr Verhalten, ihre Nachfrage, ändern? Oder müssen zuerst politische Maßnahmen getroffen werden, um den Konsumenten zu dem richtigen Konsumverhalten „zu erziehen“? Es wäre falsch zu sagen, dass diese Aufgabe ausschließlich einer der beiden Parteien zufällt. Die Lösung muss irgendwo dazwischen liegen.

Zum einen muss ein gesellschaftlicher Wandel stattfinden. Das eigene, übermäßige Konsumverhalten muss kritisch hinterfragt werden und entsprechende Änderungen in der Nachfrage daraus resultieren. Der Fokus sollte sich dabei vor allem von Quantität auf Qualität verschieben. WAS esse ich? WIE gut ist die Qualität dieses Produkts und die dazugehörigen Herstellungsprozesse?

Zum anderen sind Politik und Wirtschaft natürlich dazu berufen diese Entwicklung durch Regularien zu fördern. Dies können finanzielle Maßnahmen sein, entweder zum Nachteil der Konsumenten (z.B. höhere Fleischpreise) oder aber zum Vorteil der Produzenten (z.B. Subventionen für artgerechte Haltung). Aber auch informative (Bildungs-) Angebote könnten positive Auswirkungen haben. Da Thema Konsum & Missstände in der Tierhaltung z.B. in die Lehrpläne mit aufnehmen. Gut recherchierte Literatur und  Statistiken müssen verfügbar sein. Neue  Kampagnen sollten ins Leben gerufen werden, die einen Mittwelweg finden zwischen ‚Informativ‘ und ‚Appell‘. Sodass Problematik nicht zu aggressiv kommuniziert wird.

Fazit

Wie immer ist mein Fazit meine ganz persönliche Sicht und sicherlich diskutierbar. Erst einmal vorweg, natürlich finde ich die Infektionsfälle in den Schlachthöfen genauso schrecklich wie Du wahrscheinlich auch. Trotzdem ist die Aufmerksamkeit für die Missstände in der Fleischindustrie ein positiver Effekt von diesem Vorfall. Ein Wandel muss stattfinden, das steht für mich außer Frage.

Meiner Meinung nach muss das Konsumverhalten aber entscheidend von uns verändert werden. Eigentlich sollte jeder von uns über so  viel Wissen verfügen, dass jeder Einzelne die Auswirkungen seines Fleischkonsums bewerten kann. Jeder sollte einordnen können, was der Verzehr von billigem Fleisch aus Massentierhaltung für das Tier und auch für unsere Gesundheit bedeutet. Das magst Du anzweifeln, aber es ist so: ich kenne niemanden, der sich etwas intensiver mit dem Thema Fleisch(-produktion) und Massentierhaltung auseinandergesetzt hat und sein Konsumverhalten danach nicht auf die ein oder andere Art geändert hat. Unterm Strich ist es denke ich eine Gewissensfrage:

Kannst du deinen Konsum rechtfertigen?

Im Hinblick auf folgende Aspekte:

  • ökologische (Klima & Tierwohl)
  • ökonomische (zu geringes Einkommen für Produzenten durch Billigfleisch)
  • soziale (Arbeitsbedingungen auf den Schlachthöfen)

Dabei möchte ich hinzufügen, dass ich sehr gerne Fleisch esse. Eine leckere Ente oder Sauerbraten sind für mich ein absoluter Genuss. Aber es ist für mich selbstverständlich, dass ich diese Leckereien nicht jeden Tag essen kann. Sonst könnte ich meinen Konsum nicht rechtfertigen. Und es gibt artgerecht produziertes Fleisch und ja es kostet spürbar mehr, aber wenn Du die Entwicklung weniger Konsum & bessere Qualität für Dich wählst, kommt es finanziell aufs Selbe hinaus.

Der Artikel ist jetzt etwas arg lang geworden, aber das Thema ist wichtig und ich würde mich freuen, wenn Du dir etwas Zeit nimmst und Dir Deine eigene Meinung dazu bildest.

Liebe Grüße,

Deine Marie

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